CURRICULUM
Vorwort von Amano
Die Suche nach dem Glück
Ich habe mich schon immer gefragt, warum diese Welt so ist wie sie ist: aggressiv, zerstörerisch, lieb- und verantwortungslos. Im Prinzip besteht das Leben vieler Menschen doch aus nichts anderem als aus mehr oder weniger viel Leid, das sich in den verschiedensten Formen zeigt. Von einem glücklichen und erfüllten Leben können die meisten Menschen doch nur träumen!
Eigentlich sollte man meinen, dass die Menschheit glücklicher und zufriedener sein müsste als zu Urzeiten, bei all dem Wohlstand und den technischen Möglichkeiten, die das Leben bequem und komfortabel machen. In den meisten Ländern muss heute niemand mehr um das blanke Überleben kämpfen, es gibt staatliche Institutionen, die zumindest die Existenz sichern, es gibt Gesetze, die vor Gewalt und Willkür schützen, und die medizinische Versorgung ist weitestgehend gewährleistet.
Und Glück - was ist das überhaupt? Darum hat sich die westliche Wissenschaft bis vor kurzem nicht gekümmert, es gab kaum Untersuchungen und Forschungen in dieser Richtung. Seit ein paar Jahren hat sich das mit der modernen Hirnforschung aber geändert, und so langsam nähert man sich auch in wissenschaftlichen Kreisen an die Weisheiten des Ostens an. Aber vielleicht fangen wir einmal mit folgender Frage an:
Was läuft schief beim modernen Menschen?
Dazu muss man in die Tiefe gehen und sich mit der Entwicklung der Menschheit beschäftigen, um Zusammenhänge zu erkennen und zu verstehen, warum der Mensch so und nicht anders tickt. Ich möchte dieser Frage nicht nur spirituell, sondern auch wissenschaftlich zugrunde gehen. Eine große Hilfe dabei war ein Wissenschaftler, dem ich ganz speziell danken möchte: Steve Taylor mit seinem hervorragend recherchierten Buch „The Fall“. Er ist mir in vielerlei Hinsicht eine wahre Inspiration gewesen und lieferte mir Antworten auf der Suche nach dem missing link. Am meisten geprägt jedoch hat mich Osho Baghwan Shree Rajneesh, der wohl bekannteste indische Mystiker der Neuzeit.
Zorba the Buddha
West und Ost
Über sein Lebenswerk hat Osho einmal gesagt, dass er dazu beitragen möchte, die Bedingungen eines neuen Menschen zu schaffen. Diesen neuen Menschen hat er als Zorba the Buddha bezeichnet – ein Mensch, der in der Lage ist, wie Sorbas der Grieche (aus dem Film Alexis Sorbas mit Anthony Quinn) die irdischen Freuden total zu genießen, und der ebenso die stille Heiterkeit und totale Bewusstheit eines Gautama Buddha hat. Oder wie es auf der Seite des OSHO International Meditation Resort steht: „Ein Mensch, der seine Füße fest auf dem Boden hat und dessen Hände doch die Sterne berühren…“
Auf der einen Seite gibt es den „spirituellen Osten“, dessen Augenmerk auf Spiritualität und Meditation liegt. Auf der anderen Seite ist der „ausschweifende Westen“ mit seiner modernen Wissenschaft und Psychologie, dessen Fokus auf das Materielle und Körperliche ausgerichtet ist und der mit Spiritualität oder Bewusstsein nichts am Hut hat. Beides sind Extreme, und das ist nie gut auf Dauer. Religiöse „Gutmenschen“ sind genau so extrem wie Menschen mit einem exzessiven Leben.
Manche begeben sich auf einen spirituellen Weg und wollen quasi über Nacht Heilige werden getreu dem Motto: „von der Hure zur Heiligen“. Die Reise geht dann von einem Extrem ins andere und der Mensch bleibt wieder gespalten. Buddha sagte: „Bleib in der Mitte, geh nicht nach links oder rechts“. Es ist der Mittelweg, der dauerhafte Erfüllung bringt.
Und genau das ist es, um was es geht: der Mensch muss sowohl das Eine als auch das Andere bedienen, sonst wird er gespalten. Zorba the Buddha ist dieser Mensch, der das volle, sinnliche Potential seines Mensch-Seins ausschöpft und gleichzeitig spirituell total bewusst ist.
Es gilt also, die zeitlosen Weisheiten des Ostens mit dem Potenzial der westlichen Wissenschaft und Technologie in Einklang zu bringen, weil beide Philosophien zwar gegensätzliche Extreme darstellen, sich aber ergänzen und gegenseitig befruchten können. Die moderne Hirnforschung beispielsweise verfügt mittlerweile über Informationen, die viele Erkenntnisse der alten Tantriker wissenschaftlich beweisen und einordnen können – nur: die Tantriker sind der modernen Hirnforschung um Jahrhunderte voraus!
Spaltung in Körper und Geist
Die alten Tantriker waren echte Wissenschaftler und sogar die ersten Hirnforscher, wenn man es denn so ausdrücken möchte. Sie waren akribische Beobachter des Menschen und wollten herausfinden, was ihn glücklich und was ihn unglücklich macht. Dabei beschritten sie revolutionäre Wege, die konträr aller religiösen Dogmen waren: der Körper und nicht der Geist ist das Maß aller Dinge! Die Tantriker erkannten aber auch, dass der Mensch von allen Seiten manipuliert wird und rebellierten dagegen. Tantra war (und ist) neben dem spirituellen Ansatz zugleich auch eine politische Strömung, die sich gegen alles Zwanghafte, Destruktive und Dumpfe auflehnte. Das war zu allen Zeiten gefährlich, damals genauso wie heute.
Irgendwann in seiner Entwicklung wurde der Mensch in zwei Hälften gespalten, in Körper und Geist. Wird uns nicht überall beigebracht, dass der Kopf das Maß aller Dinge ist? Intellekt und Wissen spielen die dominante Rolle in unserem Leben: „Wissen ist Macht“ frei nach dem englischen Wissenschaftler Francis Bacon. Dieses und ähnliche Slogans programmieren uns ständig und nachhaltig in eine bestimmte Richtung, der Körper wird sogar als notwendiges Übel angesehen, speziell von den Religionen. Manche Menschen schleppen ihren Körper mit sich herum wie einen Sarg und nehmen ihn nur dann wahr, wenn er schmerzt.
Aber die Spaltung geht noch weiter. Der Körper wird darüber hinaus noch aufgeteilt in oben und in unten, in gut und in schlecht. Oben ist „hui“ und unten ist „pfui“. Alles Körperliche – speziell die sexuelle Lust – wird bei dieser Betrachtung bewusst ausgegrenzt oder sogar zur Sünde deklariert. Die Folge ist, dass es viele spirituelle Menschen gibt, die fast völlig „körperlos“ leben. Und es gibt die modernen „Kopfmenschen“, die den ganzen Tag nichts anderes machen als „Denken“. Es ist klar, dass die Gegebenheiten unserer Zeit mehr Wissen und Kopfarbeit erfordern als früher, aber das Verhältnis ist extrem unausgewogen!
Beides (also Körper und Geist) wieder in Balance zu bringen, ist meiner Überzeugung nach der einzige Weg, damit der Mensch wieder „ganz“ wird und seiner genetischen Bestimmung als sinnlichem Wesen folgt. Nur das ist die Basis für ein erfülltes Leben! Die meisten Menschen haben beispielsweise ein enormes Defizit an liebevollen (körperlichen) Berührungen, ähnlich einem trockenen Schwamm, der sich bei der erst besten Gelegenheit vollsaugen möchte. Dazu kommt noch ein unerfülltes oder sogar frustrierendes Sexualleben, und damit schließt sich der Kreis der dauerhaften Defizite auf der körperlichen Ebene. Aus diesem Grund haben moderne Tantra-Seminare einen so großen Zulauf!
Der Denker und Grübler
Seit der Mensch denken kann ist er auf der Suche nach Glück und Erfüllung, nach einem Leben im Einklang mit seiner Natur. Meistens jedoch fühlen wir uns gehetzt, wir stehen unter Leistungsdruck und glücklich sind wir eher selten. Die technisch am höchsten entwickelten Kulturen haben die meisten Krankheiten, die am stärksten steigende Sparte ist die der Psycho-Therapeuten. Statistisch gesehen geht sogar jeder vierte US Amerikaner regelmäßig zu einem Psychologen, und Europa eilt im Laufschritt hinterher.
Die moderne Wissenschaft sagt, dass unser Hirn das größte Problem darstellt. Es ist nicht der Mangel an Intellekt oder Wissen – im Gegenteil, der Überschuss an Denk-Material ist die Wurzel allen Übels. Es ist der Verstand, „der Denker“, der uns permanent mit Dingen beschäftigt, die uns nicht zur Ruhe kommen lassen. Er vergleicht ständig, ob etwas gut oder schlecht ist, richtig oder falsch, schön oder hässlich… und ob es jetzt gerade „in sein Schema passt“. Das bedeutet, dass ein ständiges Vergleichsprogramm abgespult wird von allem, was wir jemals gelesen, gelernt, gehört oder selber erfahren haben. Und der größte Irrtum ist: wir glauben dass wir „der Denker“ sind!
Der Verstand ist ein Sammelbecken von Input. 99 Prozent dieser Speicher-Daten sind jedoch nicht unsere eigenen Erfahrungen, sondern die Erkenntnisse, Meinungen und Erwartungen Anderer. Wir sind im Prinzip lebende Bedienungsanleitungen, die einzig und alleine dazu verfasst wurden, damit wir in der Gesellschaft funktionieren. Fatalerweise bleiben WIR dabei auf der Strecke!
Es ist gut, dass wir einen Verstand haben, nur: wir gebrauchen ihn nicht – er gebraucht uns, und zwar rund um die Uhr, selbst im Schlaf! Das ist die Krankheit! Wir können nicht einfach sagen: „jetzt denke ich nicht!“ Das, was ein Werkzeug sein sollte, hat irgendwann vollkommen die Macht über uns Menschen übernommen. Der „Denker“ bestimmt unser Leben, die Gegenwart spielt dabei aber keine Rolle – er ist sogar auf der Flucht davor. Die meiste Zeit verbringt er in der Zukunft, mit Hoffen, mit Wünschen und dem Streben nach Veränderung. „Wenn dies und das wäre, dann wäre ich glücklich!“ Und manchmal passiert es dann tatsächlich. Für kurze Zeit ist dann alles schick, doch dann begibt er sich wieder auf die Suche…. eine unendliche Geschichte.
Ursprüngliches und "Modernes"
Gibt es überhaupt einen "Fortschritt" in
der Entwicklung des Menschen?
Die Jäger und Sammler
Periode des sozialen und friedlichen Miteinanders
Reisen wir einmal in die Frühzeit der Menschheit zurück. Dass das Leben damals nicht gerade komfortabel oder ein Zuckerschlecken war, wenn es um das reine Überleben ging, steht außer Frage. Aber: das soziale Miteinander war ungleich besser als das in unserer modernen Zeit. Es ist ein Märchen, dass unsere Vorfahren wild und blutrünstig waren und sich gegenseitig die Köpfe einschlugen. Das Gegenteil ist der Fall, wie sich anhand unzähliger Funde in den letzten Jahrzehnten immer mehr heraus kristallisiert. Sie streiften als Jäger und Sammler in kleinen Gruppen durch das Land, wobei jede(r) einzelne seinen Teil zum Allgemeinwohl beisteuerte. Die sozialen Strukturen innerhalb der Gruppe funktionierten bestens! Ebenso gab es einen regen Austausch mit anderen Gruppen, Männer und Frauen „switchten“ von einem Stamm zu anderen, wenn sich Partnerschaften ergaben. Das war auch gut für die genetische Mischung. Vereinzelte Auseinandersetzungen hielten sich im Rahmen und wurden meistens auf friedliche Weise geklärt.
Alles in Allem war die Zeit der Frühmenschen sehr friedlich. Der Besitz von materiellen Dingen über das Notwendige hinaus war vollkommen unpraktisch beim ständigen Umherziehen und spielte deshalb auch keine Rolle – es gab also kaum Gründe für größere Konflikte. Das änderte sich erst, als der Mensch sesshaft wurde und materieller Besitz eine immer höhere Bedeutung bekam. Von da an ging es rapide abwärts mit Frieden und Glück…
Es ist interessant, dass der Anthropologe Marshall Sahlins die Zeit der Jäger und Sammler in seinem Buch Stone Age Economics als die ursprüngliche Überflussgesellschaft bezeichnete. Was bewog ihn dazu? Er schreibt: „Bei der Nahrungssuche sind sie so erfolgreich, dass sie den Rest der Zeit über gar nicht zu wissen scheinen, was sie mit sich anfangen sollen“. Anthropologen fanden heraus,dass die Frühmenschen lediglich 12 bis höchstens 20 Stunden pro Woche mit der Nahrungssuche verbrachten – der Rest war „Freizeit“ und wurde auch so genutzt, wie man bei den heute noch ca. 100 relativ autarken Naturvölkern sehen kann. Sie beschäftigen sich mit ihren Familien und nutzen jede Minute für ein soziales Miteinander.
Der Wissenschaftler Christopher Ryan beschreibt es folgendermaßen in seinem Buch: „Es gibt allen Grund zur Annahme, dass das Leben der Menschen im Pleistozän erheblich stressärmer, von Gemeinschaftssinn geprägt, friedlich und in vielen Aspekten reich gewesen ist.“
In die gleiche Kerbe schlägt Robert Lawlor, der über die heute noch als Jäger und Sammler lebenden australischen Ureinwohner sagt, dass sie nicht mehr als vier Stunden täglich auf Nahrungssuche gehen, und den Rest der Zeit mit „Freizeitaktivitäten“ wie Musik, Geschichten erzählen sowie ihren Freunden und Familien verbringen. Leider werden auch die letzten autarken Völker von der „Zivilisation“ eingeholt und massiv beeinflusst, und es dauert nicht mehr lange, dann sind auch sie von der Landkarte verschwunden.
Alles in Allem war das Leben unserer Vorfahren definitiv „glücklicher“ oder sagen wir mal: erfüllender als heute. Wenn man beispielsweise den Zeitaufwand zum Erzielen des Lebensunterhalts in unserer heutigen Zeit vergleicht, oder wie wir auf zwischenmenschlicher Ebene miteinander umgehen, dann fragt man sich allen Ernstes, ob es menschlich gesehen überhaupt einen Fortschritt gegeben hat in der Geschichte der Menschheit – oder ist nicht eher das Gegenteil der Fall?
Der "kultivierte" Mensch der westlichen Welt
Gegeneinander statt Miteinander - Trennung und Spaltung
Das ganze menschliche Leid drückt sich tagtäglich in jedem Aspekt aus – man braucht nur in die Gesichter der Menschen schauen, denen man in der U-Bahn, auf der Arbeit, den Ämtern, im Kaufhaus oder sonst wo begegnet. Alle sind gehetzt, so als ob sie auf der Flucht sind oder rennen irgend etwas hinterher. Und dieses Gehetze hat sich in unser gesamtes Leben eingenistet, das ist leider der Normalzustand für die meisten von uns. Viele schotten sich von ihrer Umwelt mittels Kopfhörern ab, laufen wie Roboter ferngesteuert durch die Gegend, bauen sich eine virtuelle Welt am Computer auf und flüchten sich in eine Scheinwelt. Ein soziales Miteinander findet kaum noch statt, die Ellenbogen-Gesellschaft lässt grüßen!
Die wenigen Momente, in denen wir Glück und Freude empfinden, sind eher selten und von kurzer Dauer. Man hat das Gefühl, dass solche Glücks-Momente wie eine Art Kurz-Auszeit vom täglichen Wahnsinn sind, dabei sollte es doch genau umgekehrt sein!
Was der Menschheit völlig verloren ging in ihrer Entwicklung, ist Empathie – das heißt Mitgefühl – nicht zu verwechseln mit Mitleid. Empathisch zu sein bedeutet, sich vollkommen in das Wesen eines anderen Menschen hineinversetzen zu können – zu spüren, welche Gefühle, Emotionen, Motive und Beweggründe ein Mensch hat. Das alles zu erkennen, zu verstehen und auch nach-zu-empfinden, ist einer der wichtigsten Aspekte für ein soziales und respektvolles Miteinander, so wie es der genetischen Bestimmung des Menschen als Herdentier entspricht.